Über bulgarische
Kulturstandards
Eli:
- Die Bulgaren haben die Fähigkeit, Schwierigkeiten zu
beseitigen und alle Situationen zu meistern.
- Gastfreundschaft der Bulgaren.
- Enge Beziehungen zwischen den Familienmitgliedern.
Petja:
- Wunsch, selbst die eigene Zukunft und Gegenwart zu
bestimmen, Suche nach eigenen Rechten, Widerstand gegen politische und andere
Willkür.
- Hartnäckigkeit
- Skeptizismus - manchmal uebertrieben, überfluessig, aber
in vielen Faellen sehr nützlich, denn der Skeptizismus ist ein Zeichen des
Denkens und Willens.
Georgi & Georgi
- Verhältnisse zu den Ausländern: Die Bulgaren
verhalten sich freundlicher zu den Ausländern. Sie, die Ausländern
sind immer exotischer als die anderen Landsleute. Es hängt natürlich
von der Situation ab. Die Bulgaren sind immer hilfsbereit.
- Fähigkeit zu Gruppenarbeit: Wir sind immer bereit
in Gruppen zusammen zu arbeiten. Es ist sehr interessant andere Meinungen zu
hören und Ideen auszutauschen. Die Teamarbeit bringt die Menschen
zusammen, so können sie sich besser kennenlernen.
- An letzter Stelle - Kleidung: etwas Materielles, aber
ganz Wichtiges. Der Körper ist eine Erweiterung der Seele, die Kleidung
ist eine Erweiterung des Körpers. Es gibt ein Sprichwort das lautet
"Kleider machen Leute". Sie unterscheiden uns von den Tieren.
Aneta und Tsvetanka
- Beziehungen in der Familie: Die osmanische
Unterjochung hat in Bulgarien ihre Spuren überrall hinterlassen. Am
meisten ist das in der Familie zu beobachten.Die Beziehungen in der Familie
sind nach asiatischem Muster - nämlich das Verhältnis Mann und Frau.
Familien, in denen die Eheleute gleichgestellt sind, sieht man selten. Der
bulgarische Ehemann ist "der Führer" in der Familie. Die Frau darf fast
nie allein Entscheidungen treffen. Oft ist der Ehemann eifersüchtig,
selbstbewusst und hartnäckig. - Die Kinder spielen in jeder bulgarischen
Familie die größte Rolle. Die Eltern sorgen für die Kinder ihr
ganzes Leben lang. Auch wenn die Kinder schon selbst Erwachsene sind, verlassen
sie sich voll und ganz auf die Hilfe (moralische und materielle) der Eltern. -
Jede bulgarische Familie hat gute Beziehungen mit den Verwandten. Unsere
Lieblingstreffen sind die mit Tanten und Onkel.
- Kontakte knüpfen: Die Bulgaren sind weltoffen.
Sie freuen sich immer, wenn sie neue Kontakte knüpfen. Das geht auch sehr
schnell. Die Bulgaren sind kontaktfähig. Ihnen fällt es nicht schwer
sich vorzustellen und über sich etwas zu erzählen. Informationen
über die anderen bekommen die Bulgaren auch gern.
- Wochenende: Die Bulgaren verbringen ihr Wochenende
verschiedenartig: - einige fahren aufs Lande - andere bleiben zu Hause und
sehen fern - immer seltener verbringen die Bulgaren ihr Wochenende im Gebirge -
noch seltener treiben die Bulgaren Sport - sie gehen lieber in Kneipen oder
Discos; dort treffen sie viele Freunde und trinken, tanzen und singen zusammen.
Die Herzen sind frei. So überlebt man leichter den großen Stress.
Daniela und Deniza
- Die Erholung: Spezifisch für die Bulgaren ist das
Gespräch über Arbeit, wenn sie sich erholen und die Gedanken an
Erholung, wenn sie arbeiten. So ist man nie ganz produktiv - weder in der
Arbeit, noch bei der Erholung.
- Ungesunde Ernährung: Man isst immer mehr Brot und
treibt keinen Sport. Nach den letzten Forschungen sind die meisten Bulgaren
(ca.65%) mit großem Gewicht.
- Das polychronische Denken und Handeln: Die Bulgaren
machen so viele Sachen in ein und derselben Zeit. Das ist typisch für
sie.
Miglena und Krassimira
- Bulgarien ist ein kleines Land, aber es hat sehr starke
Traditionen, die mit seiner Geschichte verbunden sind. Die Bulgaren sind immer
bereit Gäste zu empfangen. Eine Einladung ist nicht unbedingt nötig,
man muss nicht vorher telefonieren. In fast alle anderen Ländern ist das
obligatorisch und zeigt eine schlechte Erziehung, wenn man ohne Anruf zu Gast
geht.
- Noch eine typische Eigenschaft der Bulgaren ist, dass sie
immer hilfsbereit sind. Und hier ein Beispiel sind die Nachbarbeziehungen. Wenn
man Hilfe braucht, stehen die Nachbarn immer zur Verfuegung. Oft sind sie auch
die beste Freunde. Wenn der Bulgare jemandem hilft, macht er das ohne etwas
für sich selbst zu erwarten.
- Die Familie spielt eine grosse Rolle in der bulgarischen
Gesellschaft. Noch in den alten Zeiten war diese gesellschaftliche Einheit die
bedeutendste im Leben des Menschen. Die Hauptfigur war der Vater und seine
Meinung war ein Gesetz für alle in der Familie. Manche von diesen
Besonderheiten gelten heute noch. Die Familie ist die wichtigste Stütze,
wenn es Probleme gibt. Beim Glück und Unglück ist die Familie immer
zusammen. Hier findet man Verständnis, Unterstützung und Liebe,und
wenn es nötig ist - Kritik und Strafe.
Gergana und Vladimir:
Ein wichtiger Kulturstandard für uns ist das
Verhältnis Arbeit - Zeit.Typisch für uns ist, dass wir jede Arbeit
fast immer im letzten Moment erledigen. Die Bulgaren verschwenden ihre Zeit und
beschäftigen sich meistens mit etwas ganz anderem, was in den meisten
Fällen gar nichts mit der Arbeit zu tun hat. Für die Bulgaren ist der
folgende Spruch gültig: "Lass nicht die Arbeit für morgen, wenn man
sie auch übermorgen schaffen kann." ---> Mein
Kommentar
Elena und Katherina:
Improvisatorischer Zeitplan Urlaub in Bulgarien
Das ist ein grosses Thema, aber wir wollen uns im Bereich der
Urlaubsplanung konzentrieren. Genauer gesagt, ob man überhaupt über
Urlaubsplanung in Bulgarien sprechen kann. Üblicherweise sind die
Urlaubsmöglichkeiten im In- und Ausland. Aber in Bulgarien kann sich der
durchschnittliche Bürger eine Auslandsreise nur selten leisten. Deshalb
bleibt als Alternative die Schönheit des bulgarischen Schwarzen Meeres und
der Gebirge zu genießen. Dann kommt aber das nächste Problem.
Kriegt man überhaupt Urlaub? Oder der Chef gibt wieder und wieder neue
Aufgaben. Oder bekommt man endlich den lang gewünschten Urlaub, wenn ein
anderes Problem entsteht. Bei den Studenten ist die Situation nicht anders.
Sie haben im Sommer Ferien das ist schon gut. Aber das heißt lange
nicht, dass sie sorglos reisen können. Oft können sie das selbst
nicht finanzieren. Man muss also arbeiten und die Ferien vergehen im Schuften.
So werden in Bulgarien die Reisen fast immer improvisatorisch und spontan
unternommen. Dafür hat man immer Spaß und es ist lustig sogar bei
schlechtem Wetter.
Mein
Kommentar:
Zwei Dinge sind bei Ihren Antworten sehr schön zu
erkennen:
- Das Aufschreiben von Kulturstandards kann sehr schnell zum
Aufschreiben von Stereotypen werden, wenn man versucht, Kulturstandards
für eine ganze Nation zu finden. Man erkennt das sprachlich sehr gut an
der Verwendung des bestimmten Artikels: die Bulgaren; eine
typische Eigenschaft der Bulgaren ...
Vielleicht entgeht man diesem
Problem, Stereotype aufzuschreiben, wenn man von sich selbst ausgeht.
Wenn man sich fragt: "Welche Art des Wahrnehmens, Denkens, Wertens und Handelns
ist für mich persönlich normal, selbstverständlich, typisch?"
Dann erkennt man sicher sehr schnell, dass Kulturstandards sich nicht nur auf
"typische" Eigenschaften einer Nationalkultur beschränken lassen. Sie sind
auch abhängig von der Zugehörigkeit zu kleineren Gruppen (Männer
oder Frauzen/ Studenten/ Jugendliche/ Landbewohner oder Städter
...). Man erkennt eigene Kulturstandards übrigens immer dann, wenn man
das Verhalten anderer Menschen als komisch oder seltsam oder nicht normal
wahrnimmt. Dann hat man es nämlich nach den eigenen Maßstäben
(Kulturstandards) beurteilt.
- Man erkennt an Ihren Texten aber auch, dass es offensichtlich
in einigen Bereichen Unterschiede zwischen der deutschen und der
bulgarischen Kultur gibt. Das betrifft meiner Meinung nach zum Beispiel:
- Ausländer: Bulgarien: Fremdes ist
interessant, viellleicht exotisch. In Deutschland ist Fremdes für viele
Menschen zunächst etwas, das seltsam ist und bedrohlich sein kann. Das
hängt sicher damit zusammen, dass die beiden Kulturen mit Unsicherheit im
Leben anders umgehen.
- Familie: Besonders in Städten scheint in
Deutschland die Familie für viele eine andere Rolle zu spielen, als Sie
sie für Bulgarien beschreiben. Die Kinder sind zeitig selbstständig
(oder wollen es sein), "Familie" meint eher die Kleinfamilie ohne Onkel und
Tanten, das Leben ist individualistischer.
- Kontakte knüpfen: scheint in Bulgarien
leichter zu sein als in Deutschland. Viele Deutsche trennen häufig
Privates sehr stark von Öffentlichem und es dauert relativ lange, bis sie
einem fremden Menschen so weit vertrauen, dass sie auch Privates von sich
erzählen.
- Gastfreundschaft: "Eine Einladung ist nicht
unbedingt nötig, man muss nicht vorher telefonieren." Wir sind in
Deutschland auch gastfreundlich, aber anders:-) Daniela und Deniza schreiben,
dass für Bulgaren das polychrone Handeln typisch sei. Man kann also mehere
Dinge gleichzeitig tun und auch Zeit spielt sicher eine andere Rolle als in
Deutschland - die Dinge können vielleicht etwas länger dauern ...
Dann ist es auch kein Problem, wenn man ohne Anmeldung zu Besuch kommt.
Deutschland hingegen ist eine monochrone Gesellschaft: Dinge werden
nacheinander erledigt und die Zeit wird normalerweise genau geplant. Darum kann
ein unangemeldeter Besuch den ganzen Tagesplan durcheianderbringen. Für
einen angemeldeten Gast nimmt man sich aber sehr viel Zeit und bewirtet ihn
auch nach allen Regeln der Kunst.
Soweit einige Gedanken von mir zu Ihren Texten. Wenn Sie Fragen
haben oder etwas dazu sagen möchten, schicken Sie mir einfach eine
Mail.
Gergana und Vladimir sprechen
einen Bereich an, in dem sich viele Kulturen unterscheiden: dem Verhältnis
zur Zeit. Hier kann es zu großen Missverständnissen kommen. In
Deutschland z.B. gilt eher: Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht
auf morgen. Wenn Sie also mal in Deutschland zu einem Teilstudium sein sollten,
müssten Sie sich an diesen anderen Umgang mit Zeit anpassen, wenn Sie
Erfolg haben wollen.
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Dresden! Zuletzt bearbeitet: 06.03.2002
Dr. Ulrich Zeuner
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