Aufgabe 2: Versuchen Sie sich an Erfahrungen zu erinnern, die mit einem Kulturschock zu tun hatten.


Kulturschock


Miglena und Krassimira - Hristina - Aneta und Tsvetanka - Eli und Petya - Gergana und Vladimir- Georgi & Georgi - Elena und Katherina - Mein Kommentar

Viele schreiben, dass sie noch nie im Ausland waren und deshlab keinen Kulturschock erlebt haben. Das kann aber auch im eigenen Land passieren:

Miglena und Krassimira: Kulturschock im eigenen Land

MEGI : Ich komme aus Smoljan. Das ist eine viel kleinere Stadt als Plovdiv. Dort sind die Leute sehr nett, alle kennen einander und es ist sehr leicht Freunde zu finden. In der Kleinstadt gibt es nicht Verkehrschaos, alles passiert viel langsamer und die Menschen haben genug Zeit für diese kleine,aber bedeutende Geste der Freundlichkeit. Als ich aus diese idylische Atmosphaere in die "kalte",fremde Grossstadt kam war das ein grosser Schock für mich. Hier hatte ich keine Verwandte und Bekannte, ich wusste nicht was in meiner Mittagspause zu machen, ich war immer allein. In den ersten drei Monate hasste ich alle hochnäsigen Leute aus Plovdiv.
Dann dachte ich, dass etwas mit mir nicht in Ordnung war, weil niemand mit mir etwas zu tun haben wollte. Nach einer Weile verstand ich, dass das Problem in mir selbst war. Mein Benehmen war sehr seltsam, ich wusste nicht wie soll ich mit diesen fremden Leute kommunizieren. Wenn ich mich beruhigte, kam alles wieder in Ordnung. Das war eine Stressperiode für mich, aber ist es vorbei.

KRASSI: Im Sommer 1999 legte ich viele Prüfungen ab, ich wollte unbedingt Studentin werden - in Sofia oder in Plovdiv, aber trotz allen Bemühungen von meiner Seite hatte ich kein Glück. Ich meinte dann, dass ich so dumm bin und wie alle meine Mitschüler in die Großstadt gehen und ich musste noch ein Jahr in der provinziellen Kleinstadt bleiben. Ich erlebte den traurigsten Moment meines Lebens ... aber es gibt ein Gott am Himmel:) Eines Tages bekam ich eine Postmeldung, in der geschrieben war, dass ich in der PU (Plovdiver Univaersitet) Studentin werden kann. Ich war erstaunt, ich konnte es gar nicht glauben!! Und so ging ich nach Plovdiv. Aber meine Kollegen waren schon 2 Wochen in der Universität - alle waren schon Bekannte. Und als ich zum ersten Mal in die Schule ging, war ich ganz schockiert. Ich meinte, dass alle mich wie etwas Außerirdisches sehen. Ich war ganz nervös und konnte fast nicht sprechen .. das alles war ganz screcklich für mich.
Die erste Woche ging ich ganz allein überall hin. Meine Kollegen gingen ins Cafe zusammen, ich ging allein. Sie sprachen miteinander und ich saß und sah nur. Alles und alle waren für mich fremd. Ich glaubte, dass ich vielleicht ein bisschen unnormal war, weil ich mit niemandem Kontakt machen konnte. Ich fühlte mich ganz einsam. Die Grossstadt war für mich die Hölle auf der Erde.
Aber die nächste Woche war alles schon OK. Alle waren ganz freundlich und alles wurde rosa. Schon war für mich das Studentenleben super! Jetzt erinnere ich mich daran und jetzt verstehe ich, dass ich einen echten Kulturschock erlebt habe.


**zurück nach oben**

Hristina:

Nur eine von uns hat Italien besucht, aber nur für einige Tage, d.h. dass sie nur die erste Phase - die Euphorie, erlebt hat. Einen großen Eindruck machte ihr das zu "freie" Benehmen der Italiener. Z.B. Sie küssen sich an die Wangen, auch wenn sie nur Bekannten sind; in Bulgarien ist das nur bei engen Freunden und Verwandten üblich.


**zurück nach oben**

Aneta und Tsvetanka:

Urlaub in Tschechien: ... Vor der Anreise habe ich mir keine Gedanken gemacht, wie z. B. was die Tschechen essen usw. Nach der Ankunft haben wir schon an dem ersten Tag etwas für mich Komisches zu essen bekommen. Das war gekochtes Fleisch mit sauer-süsser Soße. Im Teller gab es noch seltsame Marmelade. Solche Speisen waren tüpisch für Tschechien. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie ich so eine Speise essen werde. Außerdem gab es kein Brot, sondern etwas wie die deutschen Knödel, die ich noch nicht gesehen und gegessen hatte. Ich war geschockt und habe nichts gegessen. Zum Abendessen haben wir auch etwas Komisches bekommen. Ich war sehr hungrig und hatte keine Auswahl. Ausserdem war ich auch neugierig, wie das alles schmecken würde. Ich habe es mir auch gedacht, wenn es so weiter geht, will ich nicht verhungern. Deshalb habe ich das Essen probiert. Am Anfang hat mich das geekelt. Nach dem zweiten Mal war es nicht so schlimm. Mit der Zeit habe ich mich daran gewöhnt. Das Essen hat mir sogar gut geschmeckt. Am Anfang konnte ich es gar nicht begreifen, wie Fleisch und Zucker zusammenpassen. Bis zum Urlaubsende bin ich sehr gern essen gegangen. Ich wollte mir sogar einige Kochrezepte aufschreiben.


**zurück nach oben**

Eli und Petya:

Ich besuchte meine Cousine, die seit vier Jahren in Deutschland lebte. ... Im Laufe der Zeit habe ich verstanden, dass es einen großen Unterschied zwischen bulgarischen und deutschen Speisen gibt. Das war für mich einen riesigen Kulturschock. Ich konnte auf keinen Fall z.B. gleichzeitig etwas Süßes und etwas Bitteres essen. Diese Frau bereitete typische Vorspeisen z.B. Knödel. vor. Für 30 Tage konnte ich diese typische Speise nicht essen, und mit grosser Ungeduld wartete ich auf den Tag, an dem ich zurück nach Bulgarien fliegen sollte.


**zurück nach oben**

Gergana und Vladimir:

Ich war im Laufe von 1 Jahr bei einer deutschen Familie als Au-Pair-Mädchen.Während der ganzen Fahrt nach Deutschland habe ich mich sehr gefreut und habe mir die Gastfamilie genau wie meine eigene vorgestellt.
Aber als sie mich vom Bahnhof abgeholt haben, war alles total anders. In den ersten 5-6 Tagen hat niemand lang mit mir geredet, oder gefragt, wie es mir geht oder sonst irgendetwas über meinen ersten Eindruck. Niemand hat kein Interesse gehabt, etwas über meine Eltern, oder über meine Heimat zu erfahren. Ich war für sie einfach Gerry aus Bulgarien und mehr über mich wollten sie nicht wissen.
Ich habe gedacht, es ist normal, wenn ein Ausländer bei jemandem zu Besuch ist, dass man Interesse über seine Heimat und Familie zeigt. Ich war natürlich sehr enttäuscht.
Das hat sich aber im Laufe der Zeit geändert. Wir haben immer öfter und länger miteinander geredet. Ich habe ihnen Bilder von meiner Familie gezeigt und so langsam haben sie mich, meine Familie und meine Heimat, sogar einige Sitten und Bräuche von nahem kennengelernt. Im grossen und ganzen kann ich sagen, dass ich mich schnell an die deutsche Kultur gewöhnt habe und habe neue Freundschaften geknüpft.


**zurück nach oben**

Georgi & Georgi

Wir haben nicht viele Erfahrungen mit fremden Kulturen im Ausland, darum werden wir Ihnen über einen Kulturschock erzählen, den wir in unserer eigenen Kultur erlebt haben.
Georgi Taskov erzählt von der Kaserne als Subkultur: Als ich nach dem Schulabschluss meinen Militärdienst ableisten musste, habe ich einen Kulturschock erlebt. In der Kaserne muss man ein ganz anderes Leben führen. Ein Leben nach den Vorschriften. Alles wird punktgenau gemacht. Jeder Tag ist wie der andere. Die Soldaten stehen um 6.30 Uhr auf. Frühstück - 7.00 Uhr. Mittagessen 12.30 Uhr. 19.00 Uhr Abendessen. 21.00 Anwesenheitskontrolle. 22.00 Uhr schlafen. Dieses Leben kann mit einer Tabelle verglichen werden. Ein und dasselbe wiederholt sich jeden Tag.
Nach dem Schulabschluss und während der Studienjahre verbrachte ich meine Zeit, wie es mir gerade recht war. Am Anfang war alles neu und fremd für mich, aber etwas interessant. Die Vorschriften waren etwas ganz Neues für mich. Man fühlt sich in seiner Freiheit begrenzt. Ich fühlte mich alleine, weil ich noch keine enge Beziehungen mit anderen Soldaten hatte. Das Telefon und die Briefe waren meine einzige Berührung mit der Außenwelt. Ich dachte, die Kaserne sei schrecklich und dachte nur an den Tag an dem ich frei werde.
Danach kamen die Missverständnisse - man verspätet sich, verstößt gegen eine Vorschrift, hat Streit mit einem anderen Soldaten.
In der fünften Phase habe ich mich an diese Subkultur angepasst und die positive Seite gefunden. Ich habe gute Freunde gefunden und habe mit ihnen Momente verbracht, an die ich mich gern erinnere.


**zurück nach oben**

Elena und Katherina:

Inwieweit man einen Kulturschock erlebt, hängt in den meisten Fällen von der konkreten Situation ab. Es ist schon von Bedeutung wer und wofür ins Ausland fährt und wie lange er da bleibt. Die Weltanschauungen, der Charakter und die Erziehung des einzelnen Menschen können ein Indikator für seine eventuelle Reaktion sein.
Ist er da zu Gast eingeladen, hat er da Verwandte und Freunde, oder er fährt zum ersten mal ins fremde Land und kennt gar keinen einzigen Menschen?
Hier helfen nur die Anpassungsfähigkeit und die Kontaktfreudigkeit. Es gibt immer Unterschiede zwischen verschiedene Kulturen, sogar bei solchen mit gleicher Religion und solche die nebeneinander grenzen. Es ist immer Stress wenn man eine lange Reise unternimmt. Alles ist fremd und unbekannt. Die Leute haben spezifische Gewohnheiten und Stereotypen, Denkweise und Verhaltensweise sind auch anders. Diese Unterschiede sind aber auf keinen Fall so radikal, eine fremde Kultur - d.h nicht eine ausserirdische. Also - starke Konfrontationen muss man immer versuchen zu vermeiden. Man muss den Anderen verstehen und die fremde Kultur akzeptieren so wie sie ist.


**zurück nach oben**

Mein Kommentar:

Kulturschock ist offensichtlich etwas, das man auch im eigenen Land erleben kann - zum Beispiel beim Übergang in einen neuen Lebensabschnitt, von der Schule zur Universität. Das kann mit dem Ortswechsel zu tun haben (wie es Miglena und Krassimira beschreiben), das kann auch mit ganz neuen anderen Anforderungen zu tun haben, die man nicht erwartet hat.

Ein Kulturschock ist eigentlich die Reaktion auf nicht erwartetes fremdes Verhalten, zum Beispiel Italien (Hristina): "Einen großen Eindruck machte ihr das zu 'freie' Benehmen der Italiener. Z.B. Sie küssen sich an die Wangen, auch wenn sie nur Bekannten sind ...". Das ist ein wunderbares Beispiel dafür, dass wir fremdes Verhalten immer nach den eigenen Maßstäben beurteilen - wenn es anders ist, wird es oft falsch verstanden und das führt zu Missverständnissen und häufig auch zur Bestätigung von Stereotypen: das freie Benehmen der Italiener!
In Italien ist der Wangenkuss ganz einfach ein Begrüßungsritual, wie in Deutschland das Handgeben. Er hat also keine weitere besondere Bedeutung als 'Begrüßung'. In Bulgarien drückt der Wangenkuss aber offensichtlich eine enge Beziehung aus, nur enge Freunde und Verwandte tun das. Er hat also eine andere Bedeutung als der Wangenkuss in Italien!
Immer, wenn ich glaube, dass Handlungen anderer Menschen das Gleiche bedeuten wie diese Handlungen in meiner Kultur, kann es zu Missverständnissen kommen.

Ein Kulturschock entsteht offenbar häufig wegen Kleinigkeiten im Alltag. Essen ist so ein Beispiel :-) Es kann aber auch sein, dass man, wenn man den Kulturschock überwindet, das Fremde schätzen lernt: "Ich wollte mir sogar einige Kochrezepte aufschreiben." Es kann auch sein, dass man so frustriert ist, dass man aus der dritten Phase des Kulturschocks (Eskalation) nicht mehr herausfindet: "... mit grosser Ungeduld wartete ich auf den Tag, an dem ich zurück nach Bulgarien fliegen sollte."
Beides sind normale Reaktionen - wenn man aber weiß, was ein Kulturschock ist, kann man sich darauf vorbereiten und findet vielleicht leichter aus der Phase der Eskalation heraus hinein in die Phase der Verständigung. Das kann wichtig sein, wenn Sie vielleicht ein Semester im Ausland verbringen werden.

Ein kurzer Kommentar noch zu Elena und Katherina: Sie beschreiben sehr schön, was man unternehmen kann, um einen Kulturschock zu verringern oder zu vermeiden. Den anderen verstehen wollen und die andere Kultur so akzeptieren wie sie ist. Das ist aber auch nicht immer einfach, denn manchmal kommen die Frustrationen ganz heimlich und unbewusst, weil man sich über ganz kleine Dinge im Alltag ärgert, die anders sind.


**zurück nach oben**

Zurück zu Antworten aus Plovdiv
Zurück zur Hauptseite DaF an der TU Dresden!
Zuletzt bearbeitet: 22.03.2002 Dr. Ulrich Zeuner