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Technische
Universität Dresden
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Institut
für Wasserbau und THM
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Prof.Dr.-Ing.habil. Detlef Aigner
Freigefälledruckleitungen zur Abwasserüberleitung
Zielstellung
Freigefälledruckleitungen (Gravitationsleitungen) sollen Wasser (Abwasser)
unter Ausnutzung des freien Gefälles ohne zusätzliche Energie
von einem Punkt A zum Punkt B transportieren. Eine normalerweise übliche
Druckanhebung im Einlaufbereich (Pumpenförderung) oder Druckabsenkung
im Auslaufbereich (Vakuumentwässerung) ist bei ausreichender Energiehöhe
nicht erforderlich. Ein Vorteil gegenüber Freispiegelkanälen
ist ihr geringer Durchmesser, keine regelmäßigen Schächte
und die "freie" Trassierung in üblichen Verlegetiefen, so daß
mehr auf Ökologie und Naturschutz Rücksicht genommen werden kann.
Auf Mindestgefälle braucht nicht geachtet zu werden, die Leitung kann,
solange kein Unterdruck auftritt, abschnittsweise steigend verlegt oder
auch gedükert werden. Die hydraulische Dimensionierung dieser Rohrleitung
stellt dann ein Problem dar, wenn Lufteinschlüsse, Verschmutzungen
und der diskontinuierlichen Abwasseranfall berücksichtigt werden müssen.
Um die Skepsis und Unsicherheit beim Einsatz von Freigefälledruckleitungen
zu beseitigen, fehlen einfache Dimensionierungshilfen. Der Lufteinschluss
bei Druckrohrleitungen mit Hoch- und Tiefpunkten kann zur Behinderung oder
Verhinderung der Strömung führen. Ähnliche Probleme sind
auch bei der Pumpenförderung bekannt (Schmalzl, 1999), wobei bei Freigefälledruckleitungen
keine Reserven zur Anhebung der Drucklinie vorhanden sind. Die vom Sächsischen
Landesamt für Umwelt und Geologie in Auftrag gegebene Studie (Aigner,
1998) und der dazu veröffentlichte Beitrag in der Korrespondenz
Abwasser (Aigner,
2000) behandeln dieses Problem. Ab 1.10.2000 läuft an der TU Dresden ein Forschungsprojekt, finanziert vom Sächsischen Landesamt für Umwelt und Geologie, zu dieser Thematik.
Freigefälledruckleitung (System)
Probleme mit der Luft ?
Lufteinschlüsse führen in geschlossenen Leitungen an Hochpunkten
ohne Entlüftung zum Anstieg der Drucklinie um die Höhen der luftgefüllten
Abschnitte der Rohrleitung. Im Extremfall kann der gesamte Rohrabschnitt
zwischen einem Hoch- und Tiefpunkt mit Luft gefüllt sein (Füllvorgang
oder nach Druckluftspülungen). Daraus leitet sich der Nachweis für
die Funktionsweise einer Freigefälledruckleitung ab (Empfehlungen
als PDF-Datei). Lufteinschlüsse an Hochpunkten können durch
den Einbau eines Entlüftungsventils (z.B. als Handentlüftung)
verhindert werden.
Abflussverhinderung durch Luft
Selbstentlüftung
Eine Selbstentlüftung der Strömung ist möglich, wenn eine
ausreichende Geschwindigkeit in der Rohrleitung vorhanden ist. Mindestfließgeschwindigkeiten
zur Selbstentlüftung wurden von verschiedenen Autoren in Versuchen
ermittelt. Bekannt sind die Untersuchungen von Gandenberger (1957) die
ins Merkblatt des DVWK W403 aufgenommen wurden, aber weit unter den Werten
neuerer Untersuchungen z. B. Bollrich (1977), Krug (1988), Wisner (1975)
und Walther/Günthert (1998) liegen.
Mindestfließgeschwindigkeiten zur Selbstentlüftung
Überwindung von Hochpunkten
Liegt die Drucklinie für die voll gefüllte Leitung unterhalb
eines Hochpunktes mit Be- und Entlüftung, dann muss der Druck zur
Überwindung des Hochpunktes auf dessen Niveau ansteigen und der anschliessende
fallende Rohrabschnitt wird zur Freispiegelleitung. In steilen Leitungen
bildet sich eine Wasser-Luft-Gemischströmung mit dynamischen Bewegungen
komprimierter Luftballen.
Pumpenförderung
Analoge Probleme treten bei der Pumpenförderung auf. Durch Reserven
in der Förderhöhe lassen sich diese jedoch besser überwinden.
Kritischer sind hier die dynamischen Vorgänge z. B. durch einen zyklischen
Pumpenbetrieb zu betrachten. Druckstöße, wechselnde Durchflüsse
ober- und unterhalb einer Geschwindigkeit zur Selbstentlüftung, Verschmutzungen
von Be- und Entlüftungsventilen und geräuschvoller Luftaustritt
sind hier die dominierenden Fragen.
Literaturhinweise
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Dresden, den 1.11.2002 |