Dipl.-Psych. Hendrik Berth

Institut für Pädagogische Psychologie

und Entwicklungspsychologie

TECHNISCHE UNIVERSITÄT

DRESDEN

Fakultät für Mathematik und Naturwissenschaften

   

 

 

Das Dresdner Angstwörterbuch (DAW).

Vom Versuch, eine qualitative Methode zu quantifizieren.

 

Handout zum Vortrag auf dem Workshop Qualitative Inhaltsanalyse, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg, 31.07.1998/ 01.08.1998

 

 

 

 

1. Einleitung

 

Ausgehend von psychoanalytischen Angstkonzepten entwickelten Gottschalk & Gleser (1969) in den USA ein inhaltsanalytisches Verfahren zur Messung von ängstlichen und aggressiven Affekten, für das seit einigen Jahren auch deutsche Skalen vorliegen (Schöfer, 1980). Der sehr hohe Aufwand bei dieser Art der Sprachinhaltsanalyse war Anlaß für die Entwicklung einer computerisierten Form dieser Textanalyse in deutscher Sprache (Arbeitstitel: Dresdner Angstwörterbuch, DAW). Hier kann nur eine stark verkürzte Einführung gegeben werden, ausführlichere Informationen findet man in Berth (1998) oder bei Berth (in press).

 

 

2. Das DAW - Aufbau

 

Während für die englischen Gottschalk-Gleser Skalen seit einigen Jahren ein Computerprogramm existiert (z. B. Gottschalk & Bechtel 1989; Bechtel 1997), war dies im deutschsprachigen Raum nicht der Fall. Mit dem DAW werden vorerst nur die Angstskalen des Verfahrens erfaßt, auf Aggressivität, Schizophrenie, Depression usw. wird nicht eingegangen. Das DAW umfaßt aktuell 5489 Suchausdrücke, davon 5071 für die Ermittlung der Angst und 418 für die Bestimmung der Gewichtungsfaktoren. Tabelle 1 zeigt die Anzahl von Suchworten bzw. Phrasen in den sechs Angstskalen und einige Beispieleinträge.

 

Kategorie

Anzahl

Beispiele

Todesangst

581

Tod, sterben, vor die Hunde gehen

Verletzungsangst

1017

Angriff, entjungfern, Herzinfarkt

Trennungsangst

1246

Flucht, verlieren, fortjagen

Schuldangst

861

Knast, mißachten, dem Blick ausweichen

Angst vor Scham/Schande

937

Armut, anpöbeln, schlechte Zensuren

Diffuse Angst

429

Fracksausen, erschrecken, fürchten

 

Tabelle 1: Suchausdrücke der Angstskalen im DAW.

 

 

Im DAW sind einzelne Worte ebenso enthalten wie Wortkombinationen und kurze Phrasen. Es ist nicht als eigenständiges Programm, sondern als Programmsupplement zu CoAn für Windows 2.0 (Romppel, 1998) konzipiert. Die Auswertung von deutschen Texten nach den Gottschalk-Gleser-Angstskalen mittels des DAW erfolgt in einem Bruchteil der Zeit, die bei einer manuellen Analyse benötigt würde. Gleichzeitig ist die Zuverlässigkeit maximiert, und es wird kaum Vorwissen benötigt.

 

3. Das DAW - Gütekriterien

 

Computergestützte Inhaltsanalysen zeichnen sich durch eine sehr hohe Reliabilität und Objektivität aus. Von besonderer Wichtigkeit ist die Validität des Verfahrens, bestimmt als Korrelation zwischen automatischer und manueller Kodierung (Tabelle 2).

 

Kategorie

Korrelation DAW

Korrelation Gottschalk

Todesangst

 

.881***

.78***

Verletzungsangst

 

.874***

.92***

Trennungsangst

 

.806***

.66***

Schuldangst

 

.485

.63***

Angst vor Scham/Schande

 

.595*

.58***

Diffuse Angst

 

.942***

.81***

Angst Gesamt

 

.649*

.85***

(*** Signifikanz 1%-Niveau, ** Signifikanz 5%-Niveau, *Signifikanz 10%-Niveau)

 

Tabelle 2: Pearson-Korrelationen manuelle/Computeranalyse bei DAW und Gottschalks Programm (z. B. Gottschalk & Bechtel 1989)

 

Die Validität des DAW ist als gut einzustufen, sie übertrifft teilweise die Werte des englischen Programms. Das DAW ist eine in Entwicklung befindliche Methode, die Korrelationen deuten auf weitere notwendige Arbeiten hin.

 

 

4. Zusammenfassung und Ausblick

 

Das DAW erwies sich als gültige Computerversion der Gottschalk-Gleser-Angstskalen. Zur weiteren Arbeit am DAW (Validierungsstudien) sind unbedingt größere und verschiedenartige Textmengen nötig, deren Erfassung und Auswertung bereits in Arbeit sind. Ab etwa Mitte August 1998 wird die Arbeit am DAW auf einer eigens eingerichteten Homepage dokumentiert werden. Der URL wird lauten: http://rcswww.urz.tu-dresden.de/~berth/daw/daw.html

Anmerkungen und Anregungen stehen wir stets offen gegenüber, bitte unterstützen Sie unsere Arbeit mit Ihren kritischen Rückmeldungen.

 

 

5. Literatur

 

Bechtel, R. J. (1997): Developments in computer science with application to content analysis. In C. W. Roberts (Hrsg.), Text Analysis for the Social Sciences: Methods for Drawing Statistical Inferences from Texts and Transcripts (S. 239-250). Mahwahi, N.J.: Erlbaum.

Berth, H. (1998): Das Dresdner Angstwörterbuch (DAW). Ein Versuch zur textinhaltsanalytischen Erfassung von Angst. Forschungsbericht Nr. 22 des Instituts für Pädagogische Psychologie und Entwicklungspsychologie der TU Dresden. (auch als Online-Document, URL http://physik.phy.tu-dresden.de/psycho/esser/befb22.html).

Berth, H. (in press): Die Angst vor der Wiedervereinigung. Inhaltsanalytische Überlegungen. In: A. Hessel, M. Geyer & E. Brähler (Hrsg.): Gewinne und Verluste des sozialen Wandels. Opladen: Westdeutscher Verlag.

Gottschalk, L. A. & Gleser, G. C. (1969): The Measurement of Psychological States trough the Content Analysis of Verbal Behavior. Los Angeles: University of California Press.

Romppel, M. (1998): CoAn für Windows 2.0b. Computerprogramm. Göttingen. Eigenverlag des Autors.

Schöfer, G. (Hrsg.) (1980): Gottschalk-Gleser-Sprachinhaltsanalyse: Theorie und Technik. Studien zur Messung ängstlicher und aggressiver Affekte. Weinheim: Beltz.

 

 

Kontaktadresse

Hendrik Berth, Technische Universität Dresden, Institut für Pädagogische Psychologie und Entwicklungspsychologie, Weberplatz 5, D-01062 Dresden, Tel./Fax (0351) 4 63 29 53, E-mail: berth@rcs.urz.tu-dresden.de, http://physik.phy.tu-dresden.de/psycho/esser.html