Hendrik Berth
Ergänzungen zum Forschungsbericht Nr. 22 des Instituts für Pädagogische Psychologie und Entwicklungspsychologie der Technischen Universität Dresden vom Februar 1998: Das Dresdner Angstwörterbuch (DAW). Ein Versuch zur textinhaltsanalytischen Erfassung von Angst.
Stand: Juli 1998
1. Einleitung
Dieses Blatt soll kurz die vorgenommenen Änderungen am Dresdner Angstwörterbuch (DAW) seit Veröffentlichung des letzten Forschungsberichts skizzieren. Da sich zahlreiche wesentliche Neuerungen ergeben haben, macht sich eine solche Erweiterung notwendig. Seitenverweise beziehen sich auf den Originalbericht, Literatur ist nur dann aufgeführt, wenn sie im ursprünglichen Literaturverzeichnis nicht enthalten ist. Ein komplett modifizierter Arbeitsbericht ist für Ende 1998 geplant.
2. Gottschalk-Gleser-Rohwerte
Mit dem DAW werden nun exakt den Verfahrensregeln entsprechende Gottschalk-Gleser-Rohwerte ausgegeben, die abhängig sind von der Gewichtung der Angst (s. S. 5, 7). Erreicht wird dies durch eine zweistufige Analyse mittels CoAn für Windows 2.0b (Romppel, 1998). Im ersten Analyseschritt kommt dabei das eigentliche DAW zum Einsatz, das um 5 Kategorien (403 Suchausdrücke) zur Ermittlung der Gewichtungen erweitert ist, die in Tabelle 1 skizziert sind.
Kategorie |
Anzahl |
Gewichtung |
Beispieleinträge |
Angst bei der Person selbst |
8 |
3 |
Ich, Wir |
Angst bei anderen Personen |
125 |
2 |
Du, Bruder |
Angst bei unbelebten Objekten |
112 |
1 |
Auto, Tisch |
Verneinung von Angst |
45 |
1 |
niemals, keine |
Besonders starke Angst |
113 |
+ 1 |
stark, größte |
Tabelle 1: Gewichtungskategorien des DAW
Im zweiten Analyseschritt wird ein zusätzliches Wörterbuch eingesetzt, das nach Kombinationen von Angst- und Gewichtungsausdrücken sucht und daraus Gottschalk-Gleser-Rohwerte errechnet, die entsprechend weiterverarbeitet werden können. Insgesamt hat das DAW aktuell 5371 Suchausdrücke, die Anzahl der Suchausdrücke in den Angstkategorien ist in Tabelle 2 aufgeführt.
Kategorie |
DAW |
Gottschalk u.a. |
Todesangst |
568 (11,43%) |
219 (10,93%) |
Verletzungsangst |
1004 (20,20%) |
453 (22,62%) |
Trennungsangst |
1239 (24,94%) |
469 (23,41%) |
Schuldangst |
814 (16,39%) |
311 (15,53%) |
Angst vor Scham/Schande |
925 (18,62%) |
300 (14,98%) |
Diffuse Angst |
418 (8,42%) |
251 (12,53%) |
Gesamtanzahl |
4968 (100%) |
2003 (100%) |
Tabelle 2: Suchausdrücke für Angst im DAW und im Programm von Gottschalk u. a.
Wie der Vergleich zu dem Programm von Gottschalk u. a. (Gottschalk & Bechtel 1982, 1989, 1993; Gottschalk 1997; Bechtel 1997, vgl. auch Gottschalk, Stein & Shapiro 1997) zeigt, ist das DAW dieser Methode sehr ähnlich, die prozentualen Anteile und Verteilungen sind fast identisch.
3. Gütekriterien
Mit der Veränderung am DAW sollte auch eine Verbesserung der Gütekriterien einhergehen. Wir betrachten hier nur die Validität, die genau, wie im Forschungsbericht (S. 12f.) beschrieben, ermittelt wurde. Die Werte in Tabelle 3 belegen den Fortschritt der Arbeit am DAW.
Kategorie |
Optimale Korrelation DAW (Pearson) |
Korrelation Gottschalk u.a. (Pearson) |
|
Todesangst |
.881*** |
.78*** |
|
Verletzungsangst |
.874*** |
.92*** |
|
Trennungsangst |
.806*** |
.66*** |
|
Schuldangst |
.485 |
.63*** |
|
Angst vor Scham/Schande |
.595* |
.58*** |
|
Diffuse Angst |
.942*** |
.81*** |
|
Angst Gesamt |
.649* |
.85*** |
(*** Signifikanz 1%-Niveau, ** Signifikanz 5%-Niveau, *Signifikanz 10%-Niveau)
Tabelle 3: Korrelationen von manueller/automatischer Kodierung bei DAW und Gottschalk u.a.
Der Vergleich zeigt, daß das DAW (s. Werte vom Februar 1998, S. 12) wesentlich besser geworden ist, so daß nun erste Anwendungsstudien begonnen werden können. Teilweise werden auch die von Gottschalk & Bechtel (1982, 1989) berichteten Werte übertroffen. Allerdings sind die Übereinstimmungen für Schuldangst, Schamangst und den Gesamtangstwert noch nicht ausreichend, so daß weitere Arbeiten vorzunehmen sind.
4. Abschluß und Ausblick
Zur weiteren Arbeit am DAW sind unbedingt größere und verschiedenartige Textmengen nötig. Begonnen wird demnächst mit der abschließenden Auswertung der auf S. 16f. beschriebenen Studie, erste Ergebnisse dazu sind bereits in Berth (in press) beschrieben.
Ab etwa Mitte August 1998 soll die Arbeit am DAW auf einer eigens eingerichteten Homepage dokumentiert werden. Der URL wird lauten: http://rcswww.urz.tu-dresden.de/~berth/daw/daw.html
Neben der weiteren Verbesserung des DAW und umfassenden Validierungsstudien sind für die nahe Zukunft unter anderen geplant: die deutsche Übersetzung und umfassende Prüfung des englischen Angstwörterbuchs aus dem Programm von Gottschalk & Bechtel, eine Analyse des Wendekorpus des IDS Mannheim, eine inhaltsanalytische klinische Studie (in Zusammenarbeit mit Prof. Frommer, Universität Magdeburg) sowie einige Vorträge zur Methode (u. a. auf dem Workshop Qualitative Inhaltsanalyse in Ludwigsburg, dem DGFP-Kongreß in Dresden und dem Workshop-Kongreß Politische Psychologie in Hamburg).
Abschließend sei wieder allen KollegInnnen herzlich gedankt, die bisher mit zahlreichen Tips diese Arbeit unterstützt haben. Bitte seien Sie auch weiterhin kritisch.
5. Literatur
Berth, H. (in press): Die Angst vor der Wiedervereinigung. Inhaltsanalytische Überlegungen. In: A. Hessel, M. Geyer & E. Brähler (Hrsg.): Gewinne und Verluste des sozialen Wandels. Opladen: Westdeutscher Verlag.
Bechtel, R. J. (1997): Developments in computer science with application to content analysis. In C. W. Roberts (Hrsg.), Text Analysis for the Social Sciences: Methods for Drawing Statistical Inferences from Texts and Transcripts (S. 239-250). Mahwahi, N.J.: Erlbaum.
Gottschalk, L. A. (1997): The Unobtrusive Measurement of Psychological States and Traits. In C. W. Roberts (Hrsg.), Text Analysis for the Social Sciences: Methods for Drawing Statistical Inferences from Texts and Transcripts (S. 117-129). Mahwahi, NJ: Erlbaum.
Gottschalk, L.A.; Stein, M.K. & Shapiro, D. H. (1997): The Application of Computerized Content Analysis of Speech to the Diagnostic Process in a Psychiatric Outpatient Clinic. Journal of Clinical Psychology. 53 (5), S. 427-441.