Ausgehend von psychoanalytischen Angstkonzepten entwickelten Gottschalk & Gleser in den USA ein inhaltsanalytisches Verfahren zur Messung von ängstlichen und aggressiven Affekten. Der hohe Aufwand bei dieser Art der Sprachinhaltsanalyse war Anlaß für die Entwicklung einer computerisierten Form dieser Textanalyse in deutscher Sprache. Dabei wird vorerst nur auf die Bestimmung der sechs verschiedenen Angstformen eingegangen. Der erste Teil des Beitrages widmet sich der Methodik dieses neuen Untersuchungsansatzes, wobei insbesondere kritische Aspekte und geplante Weiterentwicklungen aufgezeigt werden. Im Hauptteil werden die Ergebnisse einiger Untersuchungen an Texten ost- und westdeutscher SchülerInnen und StudentInnen, die sich alle mit dem Thema der deutschen Wiedervereinigung beschäftigten, dargestellt. Dabei wird sekundäranalytisch auf Materialien aus anderen Untersuchungen (Schüleraufsätze) zurückgegriffen. Die aufwandsbedingt kleinen, nichtrepräsentativen Stichproben stammten aus verschiedenen Bundesländern und wurden seit 1990 zu unterschiedlichen Zeitpunkten erhoben. In ost- und westdeutschen Ausführungen finden sich deutlich unterschiedliche angstrelevante Inhalte, sowohl in Ausprägung, Muster als auch in ihrer längsschnittlichen Entwicklung in den acht Jahren der deutschen Einheit. Während Ostdeutsche beim Erzählen ihrer Eindrücke und Erlebnisse zum Thema deutsch-deutsche Wiedervereinigung ein allgemein höheres Angstniveau als Westdeutsche aufweisen, zeigen sich bei der qualitativen Betrachtung einzelner Angstformen wie Scham- oder Schuldangst durchaus kontroverse Ergebnisse. Diese gefundenen Differenzen und Gemeinsamkeiten in den Tiefenstrukturen von Texten werden abschließend zu anderen inhaltsanalytischen Verfahren, z.B. dem Dota-Ansatz Ertels, in Beziehung gesetzt und methodenkritisch diskutiert.